Ein windstarker Standort
ist das A und O
Wer eine Kleinwindkraftanlage installieren will, kommt an einem Thema nicht vorbei: dem Windpotential am geplanten Aufstellungsort der Windanlage. Jeder Standort muss für sich betrachtet werden: zwei Grundstücke in nur 200 m Entfernung zueinander können komplett unterschiedliche Windverhältnisse haben. Nur in windstarker Lage wird man ein Kleinwindrad sinnvoll als Kraftwerk betreiben können.
Lesen Sie diesen Fachbeitrag, wenn Sie wissen wollen, worauf es bei Kleinwindkraftanlagen ankommt. Als neutraler Experte bin ich Tausendfach von Menschen kontaktiert worden und weiß deshalb: das Windpotenzial als Erfolgsfaktor #1 eines Kleinwindrads wird oft sträflich vernachlässigt.
Standortregeln für Kleinwindanlagen
Kleinwindanlagen haben ganz eigene Regeln, was einen guten Standort betrifft. Andere als Solarstromanlagen und Windparks. Wer eine PV-Anlage auf dem Dach oder einen Windpark in der Nähe hat, kann nicht automatisch von einem guten Kleinwindkraft-Standort ausgehen.
Zunächst die wichtigsten Standortregeln für Kleinwindanlagen…
Aufstellung in der Nähe des Verbrauchers
Ein Kleinwindrad dient der dezentralen Objektversorgung. Soll heißen: die Windanlage muss in unmittelbarer Nähe des Stromverbrauchers aufgestellt werden. Stromverbraucher können ein Gewerbegebäude, Industriehalle, Privathaus oder ein Sendemast sein. In der Nähe der Windanlage befinden sich demnach oft andere Gebäude oder Bäume, welche als Hindernisse dem Wind die Energie nehmen.
Ganz anders im Vergleich Windparks bestehend aus Großwindkraftanlagen: diese müssen fernab der Siedlungen aufgestellt werden. Deshalb stehen Windparks oft auf freiem Feld. Die Rotoren der Anlagen werden ungehindert von allen Seiten vom Wind erreicht, eine hohe Windstärke ist garantiert.
Höhe von Kleinwindanlagen ist limitiert
Das Baurecht limitiert die Gesamthöhe von Kleinwindanlagen auf 50 m. Gesamthöhe bedeutet: höchster Punkt der Flügelspitze. In der Praxis sind aber die allermeisten Kleinwindräder deutlich niedriger, meist unter 30 m.
Je größer die Distanz zur Erdoberfläche, desto stärker der Wind. Das Windangebot für eine Kleinwindanlage mit 30 m Höhe ist sehr viel niedriger als für eine Megawattanlage mit 200 m Höhe. Windparks werden immer höher, damit die Rotoren in stärkeren Wind kommen und mehr Strom erzeugen.
Bei Kleinwindrädern sind aber Höhe und damit das Windangebot limitiert. Deshalb muss man bei Kleinwindkraftanlagen den Standort besonders genau prüfen: kommt der Wind möglichst ungehindert an den Rotor?
Hindernisse reduzieren die Windenergie
Der vom Rotor nutzbare Wind bewegt sich parallel zur Erdoberfläche. Trifft der Wind auf ein Gebäude oder Baum, wird er aufgehalten. Verbunden mit einer drastischen Reduktion der Windenergie.
Aufschlussreich ist der Vergleich mit der Solarenergie. Die Sonne strahlt von oben auf die Erde, Hindernisse können viel weniger eine Auswirkung haben. Wolken sind zwar im Prinzip Hindernisse für die Solarstrahlung, aber kein individuelles Hindernis für einen Standort, sondern ein allgemeines und einkalkuliertes Wetterphänomen.
Die Grafik unten verdeutlicht, warum Hindernisse auf dem Boden häufiger den Wind aufhalten und weniger die Sonne. Der Baum in der Nähe des Hauses block den Wind, so dass der stetige Wind nicht den Rotor der Kleinwindanlage erreicht. Die Sonne dagegen erreicht das Haus und liefert der Solaranlage auf dem Dach ungehindert Energie. Der Baum ist zu weit vom Haus entfernt, als dass das Dach dadurch verschattet werden könnte.
Freie Anströmung aus Hauptwindrichtung
An vielen Standorten auf der Erde gibt es eine eindeutige Hauptwindrichtung. Übers Jahr gesehen kommt aus einer Himmelsrichtung ein Großteil der Windenergie. Vor allem aus dieser Richtung muss es eine freie Anströmung des Windes zum geplanten Aufstellungsort geben.
Mitteleuropa liegt in der sogenannten Westwindzone, welche am Boden und in der Höhe durch Winde aus westlicher Richtung gekennzeichnet ist. In Deutschland strömt der starke Wind somit vom Westen (bzw. Südwesten oder Nordwesten je nach Standort) in östliche Richtung. Das ist auch der Grund dafür, dass Flüge von Osten nach Westen länger dauern, als umgekehrt.
Von dieser Hauptwindrichtung kann es allerdings lokale Abweichungen geben, die vorwiegend durch das Relief bedingt sind. Vor allem in alpinen Regionen hat die Verteilung von Bergen und Tälern eine herausragende Bedeutung für das Windpotenzial. In den Alpen ist beispielsweise der Föhn als regionaler Fallwind bekannt.
Fazit: eine freie Anströmung des Windes aus Hauptwindrichtung ist entscheidend!
Das folgende Foto verdeutlicht optimale Verhältnisse. Man steht am Standort der Windanlage und schaut zur Hauptwindrichtung. Freier Blick heißt auch freie Strömung des Windes.
Welche Lagen sind meist NICHT geeignet?
Manche Standorte sind per se nicht für eine Kleinwindrad geeignet. Wenn das für ihr Grundstück zutreffen sollte, dann ist das schade. Aber diese bittere Wahrheit ist erheblich besser, als auf Basis falscher Hoffnung Zeit und Geld zu verschwenden. Als neutraler Experte ist es meine Aufgabe, ehrlich zu sagen, wo Kleinwindkraft überhaupt Sinn macht.
Aus Erfahrung kann ich sagen: es ist keine Seltenheit, dass eine Firma oder Privatperson (zehn)tausende Euro für eine Kleinwindanlage ausgibt, obwohl das Windangebot am Standort nicht ausreicht.
Folgende Lagen sind nicht geeignet für ein Kleinwindrad…
Mitten im bebauten Gebiet
Innerhalb des Siedlungsgebiets sind die Windverhältnisse in der Regel schlecht: schwacher und turbulenter Wind. Ausgehend vom geplanten Aufstellungsort der Windanlage sind es vor allem die Gebäude zur Hauptwindrichtung, die das Windangebot drastisch reduzieren.
Je höher die Gebäude sind und je dichter sie beieinanderstehen, desto stärker wird das Windpotenzial beeinträchtigt. Bei der Nutzung urbaner Windenergie liegt oft die Hoffnung in Straßenschluchten bzw. in der Kanalisierung des Windes durch Gebäude. Solche Windkanäle können nur wirksam sein, wenn sie entlang der Hauptwindrichtung verlaufen.
Problematisch für Siedlungsgebiete ist die oft baurechtliche Begrenzung der Masthöhe einer Windanlage. In einem Gebiet mit Gebäuden von maximal 15 m Höhe könnte man überlegen, mit einem 30 m hohen Mast den Rotor oberhalb des turbulenten Windbereichs zu platzieren. Doch wird das Bauamt da mitspielen? Je nach Gebietstyp wird das schwierig werden.
Im bebauten Gebiet sollte man immer vorher mit einer Windmessung prüfen, ob der Wind stark und stetig genug ist.
Waldreiche Umgebung
Windparks werden mittlerweile mitten im Wald aufgestellt. Die Rotoren stehen so hoch im Himmel, dass der Wind trotz 20 m hoher Bäume noch stark genug ist. Offensichtlich wird man ein Kleinwindrad niemals im Wald aufstellen, eine windschattigere Lage kann man sich kaum vorstellen.
In waldreicher Umgebung sind die Lagen für Kleinwindturbinen begrenzt. Westliche Hanglagen können geeignet sein, zum Beispiel im waldreichen Mittelgebirge. Im Flachland muss ausgehend vom Standort der Windanlage mit Blick zur Hauptwindrichtung eine waldfreie Fläche vorhanden sein.
In den meisten Tälern
Unten im Tal weht der Wind oft schwach. Deutlich schwächer als in Hang- und Höhenlagen. Deshalb scheiden die meisten Standorte in Tälern aus. Das folgende Foto verdeutlicht eine eingekesselte Tallage. Solarstromanlagen kann man dort betreiben, Windanlagen nicht.
Ausnahme können Täler sein, die entlang der Hauptwindrichtung verlaufen. Ferner gibt es Täler, die durch ein ausgeprägtes regionales Windsystem gekennzeichnet sind. Dazu zählt der Mistral im unteren Rhonetal in Frankreich.
Auf dem Dach
Eine Windkraftanlage sollte man nicht aufs Dach, sondern auf einen ebenerdigen Mast stellen. Die Windverhältnisse in der Nähe der Dachfläche sind in der Regel schlecht. Das ist das Ergebnis unabhängiger Untersuchungen. Fragwürdige Anbieter vom Mikrowindanlagen fürs Dach werden das Gegenteil behaupten.
Generell haben bebaute Gebiete oft ein schlechtes Windangebot, wie oben beschrieben wurde. Häuser führen selbst zu ungünstigen Windverhältnissen: strömt der Wind auf eine Hauswand, wird er aufgehalten und verwirbelt. Über dem Dach entsteht eine sogenannte Turbulenzblase. Solche Windturbulenzen kann der Rotor nicht nutzen, er braucht eine stetige Windströmung. Die Turbulenzblase kann sich mehrere Meter über dem Dach ausbreiten.
In der Praxis werden auf Dächern oft sehr kurze Masten für die Windanlagen genutzt. Wohl verbunden mit dem Wunsch, dass der Rotor nicht weit sichtbar ist. Aber ein kurzer Mast von z.B. nur zwei Metern führt dazu, dass sich der Rotor in der Turbulenzblase des Windes befindet.
Problematisch können auch die Körperschallübertragungen von Windanlagen sein, die mit dem Dach verbunden sein. Das Gebäude wirkt wie ein Resonanzkörper für den sich drehenden Rotor. Nerviges Brummen innerhalb des Hauses als Folge.
Welche Lagen können geeignet sein?
Es gibt in Deutschland noch viele aussichtsreiche Lagen für Kleinwindräder. Das Standortpotential ist groß. Für welche Lagen trifft das zu?
Abstandsregel: Distanz zwischen Windanlage und Hindernis
Man kann es nicht oft genug wiederholen: entscheidend ist die freie Anströmung des Windes aus Hauptwindrichtung. Die anderen Windrichtungen können oft vernachlässigt werden.
Ausgehend vom Aufstellungsort der Windanlage muss es mit Blick zur Hauptwindrichtung eine hindernisfreie Fläche sein. Je näher das Hindernis zur Kleinwindanlage, desto niedriger muss es sein. Wenn ein zwei Meter hoher Busch nur 15 m von der Windanlage entfernt ist, kann der das Windpotenzial in Rotorhöhe merklich verschlechtern. Ist der Busch dagegen 100 m von der Anlage entfernt, wird er keinen negativen Einfluss mehr haben.
Folgende Abstandregel kann man sich zur groben Orientierung merken. Die Regel beschreibt, wie weit sich hinter einem Hindernis der windschwache Bereich fortsetzt. Verdeutlicht durch die folgende Grafik:
Damit der Rotor außerhalb des schwachen Windbereichs liegt, sollte die Windanlage einen Abstand zum Hindernis haben, der das Zwanzigfache der Höhe des Hindernisses beträgt. Das Haus mit der Höhe H steht dem Hauptwind entgegen. Wenn das Haus eine Höhe von 10 m hat, dann müsste der Abstand zwischen Haus und Windanlage 200 m betragen (10 m x 20 = 200 m).
Einzellagen
Eine Einzellage ist typisch für viele landwirtschaftliche Höfe. Um die Hofgebäude herum befinden sich dann nur landwirtschaftliche Flächen. Wenn der Rotor zusätzlich weit genug über die Hofgebäude hinausragt, kann sogar eine frei Windströmung aus allen Himmelsrichtungen erfolgen. Kleinwindkraft-Herz, was willst du mehr!
Lagen am Siedlungsrand
Während die meisten Lagen innerhalb des flachen Siedlungsgebiets nicht geeignet sind, kann ein Aufstellungsort am Siedlungsrand sehr wohl ein windstarker Standort sein. Das betrifft vor allem die Randlagen zur Hauptwindrichtung.
Ausgehend für die in Deutschland vorherrschende Hauptwindrichtung können Gewerbegebiete und Industriegebiete am westlichen Siedlungsrand ein hohes Windangebot mit sich bringen. Auch Kläranlagen oder ähnliche Infrastruktureinrichtungen mit hohem Stromverbrauch können in solchen Lagen geeignet sein.
Hanglagen und Höhenlagen
Auch im Mittelgebirge und in den Alpen gibt es gute Standorte für Kleinwindturbinen. Während die Täler in der Regel ein schlechtes Windangebot mit sich bringen, sieht es bei Standorten am Hang oder auf der Bergkuppe viel besser aus.
Bei Hanglagen ist es der freie Blick in Hauptwindrichtung, der für ein gutes Windpotenzial spricht. Hindernisse weiter unter am Hang halten den Wind kaum noch auf.
Noch besser ist es, wenn der ganze Hang frei von Hindernissen ist. Das betrifft z.B. hügelige Weidelandschaften. Solche Standorte in hoher Hanglage wurden im Mittelalter für Windmühlen genutzt und als „Mühlberge“ bezeichnet. Der auf verschiedenen Höhen auf den Hang treffende Wind strömt den Hang hinauf und erfährt so eine extra Beschleunigung.
Exkurs: Abstände von Kleinwindkraftanlagen
Bei der Planung einer kleinen Windkraftanlage ist das Einhalten von ausreichenden Abständen ein wichtiges Thema. Das betrifft nicht nur Abstände zu Hindernissen zur Hauptwindrichtung. Es müssen beispielsweise auch baurechtliche Mindestabstände eingehalten werden zwischen der Kleinwindanlage und Gebäuden sowie der Grundstücksgrenze.
Mehr dazu hier >> zum Fachbeitrag.
Windkarten nur bedingt hilfreich
Für die Einschätzung des regionalen Windpotenzials kann man Windkarten nutzen.
Vom Deutschen Wetterdienst DWD gibt es Windkarten, die das Windpotenzial in Form der mittleren Jahreswindgeschwindigkeit darstellen. Als Daumenregel kann man sich merken: in Rotorhöhe sollte mindestens eine mittlere Jahreswindgeschwindigkeit von 4 m/s vorliegen. Wenn in 10 m Höhe die mittlere Jahreswindgeschwindigkeit zu niedrig ist, kann man die Verwendung eines höheren Mastes von z.B. 15 m oder 20 m in Betracht ziehen.
Wenn man die Windkarte beim DWD runterlädt, muss man unbedingt die Karte mit der Höhe „10m über Grund“ nehmen. Bei der Regionswahl „Deutschland (200 m-Raster)“ wählen. Die Karten kann man von dieser Seite des DWD runterladen (Titel: „Windkarten zur mittleren Windgeschwindigkeit“).
Wichtig ist, dass man die Werte in der Karte richtig deutet! Das angegebene Windpotenzial ist nur für Standorte mit freier Anströmung des Windes realistisch. Das Windpotenzial der DWD-Karten gilt also nicht pauschal für jedes Grundstück.
Fazit: Unmittelbare Umgebung entscheidend
Das Windangebot eines konkreten Standorts für eine Kleinwindkraftanlage ist immer eine Einzelfallbetrachtung. Denn entscheidend ist die unmittelbare Umgebung der Windanlage, vor allem zur Hauptwindrichtung:
Der Abstand zu einem Hindernis sollte das Zwanzigfache der Hindernishöhe betragen.
Es gibt noch viele ungenutzte und aussichtsreiche Standorte für kleine Windanlagen für Gewerbebetriebe, Industriebetriebe und private Hausbesitzer.
Erster Schritt bei der Realisierung einer Kleinwindanlage muss die Prüfung des Windangebots sein. Zunächst als grobe Vorabprüfung („Handelt es sich um eine windstarke Lage?“), danach ggf. eine Windmessung (Ermittlung konkreter Winddaten).
Was sind die nächsten Schritte?
Um mehr Klarheit zum Windpotenzial eines Standorts zu bekommen, gibt es zwei Möglichkeiten:
Windmessung
Vorteil: konkrete Daten werden vor Ort gemessen.
Nachteil: dauert lange, mindestens 6 Monate Messzeit sollten es sein.
>> Infos zur Windmessung
Standortgutachten
Vorteil: schnell gemacht, Fernanalyse am PC mit Profi-Software. Sollte in wenigen Wochen fertig sein.
Nachteil: eine Schätzung des Potenzials, keine Messung.
>> Infos zu Standortgutachten
Autor: Patrick Jüttemann