Mini-Windanlagen auf Gebäuden? Praxisstudien zeigen die Wahrheit

21/11/2024

Das Interesse an kleinen Windkraftanlagen auf Hausdächern wächst stetig – sowohl bei privaten Hausbesitzern als auch bei Unternehmen. Anders als Solaranlagen, die für den Einsatz auf Dächern in städtischen und bebauten Gebieten bestens geeignet sind, bringt die Nutzung von Kleinwindanlagen dort jedoch eine Reihe spezieller Herausforderungen mit sich. Turbulente Windbedingungen, Gebäudehindernisse und die limitierte Höhe schränken die Stromerträge dieser Anlagen erheblich ein.

Werbeversprechen zu Kleinwindanlagen sind nicht selten übertrieben. Doch wie sieht die Realität aus? Unabhängige Praxisstudien aus Großbritannien haben in umfassenden Tests gezeigt, wie gebäudeintegrierte Kleinwindanlagen unter realen Bedingungen abschneiden und welche Standortfaktoren dabei eine Rolle spielen. Die Ergebnisse bieten wertvolle Einblicke in die tatsächlichen Potenziale und Grenzen von Kleinwindanlagen in bebauten Gebieten – und liefern Anhaltspunkte für Verbraucher, die eine fundierte Entscheidung treffen möchten.


Entscheidend für Kleinwindkraft: Lage, Lage, Lage

Der Erfolg einer Kleinwindkraftanlage steht und fällt mit dem Standort und der Installationsmethode (freistehend auf Mast oder gebäudeintegriert auf dem Dach oder der Hauswand). Vor dem Kauf einer kleinen Windkraftanlage ist daher eine gründliche Standortanalyse unverzichtbar, denn eine suboptimale Position kann Stromerträge und Wirtschaftlichkeit stark beeinträchtigen.

Ein wichtiger Faktor ist die unmittelbare Umgebung des Aufstellungsortes einer Kleinwindkraftanlage. Je nach Gebietstyp (Wohngebiet, Industriegebiet oder Außenbereich auf dem Land) und Landschaftstyp (Mittelgebirge, Weidelandschaft, Siedlungen etc.) – zeigen sich große Unterschiede in der Anströmung des Windes und damit in der Energieausbeute.

In dicht bebauten Wohngebieten bremsen Gebäude und Vegetation den Windfluss und erzeugen Turbulenzen, die die Stromerträge der Windturbinen beeinträchtigen können. Im Gegensatz dazu bieten offene, ländliche Gebiete bessere Bedingungen, vor allem wenn der Wind aus der Hauptwindrichtung ungehindert an die Anlage strömen kann.

Freistehende Kleinwindanlage am Siedlungsrand (Foto: Patrick Jüttemann)

Studien aus UK: Kleinwindanlagen im Test

Wegweisende Feldtests zur Kleinwindkraft

Die britischen Studien zur Kleinwindkraft gelten als Referenzwerke, da sie realistische Einblicke in die tatsächliche Leistungsfähigkeit von Kleinwindanlagen bieten, als auch konkrete Handlungsempfehlungen zur Standortwahl. 

Diese Informationen helfen potenziellen Käufern, fundierte Entscheidungen zu treffen und unnötige Fehlinvestitionen zu vermeiden. Im Gegensatz zu Windtunnel-Tests oder Simulationen liefern diese Feldtests Ergebnisse unter realen Bedingungen – und zeigen so, was Kleinwindkraftanlagen tatsächlich leisten können.

Obwohl die Studien bereits 2009 durchgeführt wurden, sind ihre Erkenntnisse aktueller denn je und sollten jedem bekannt sein, der sich für Kleinwindkraft interessiert. Viele der grundlegenden Probleme, die sie aufdecken, wie die stark vom Standort abhängige Energieproduktion und die Schwierigkeiten bei Installationen in bebauten Gebieten, gelten unverändert auch heute.

Zudem wurden damals Windkraftanlagen-Modelle getestet, die bereits hohen technischen Standards entsprachen und als zuverlässig galten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bieten daher wertvolle Einblicke und Orientierung für alle, die eine Kleinwindanlage im urbanen oder suburbanen Bereich in Erwägung ziehen.

Energy-Saving-Trust-Studie

Die Energy-Saving-Trust-Studie mit dem Titel „Location, location, location“ aus dem Jahr 2009 ist eine umfassende und unabhängige Untersuchung zur tatsächlichen Leistungsfähigkeit von Kleinwindanlagen in britischen Haushalten. Durchgeführt von der gemeinnützigen Organisation Energy Saving Trust, zielte die Studie darauf ab, verlässliche und praxisnahe Daten zur Effizienz und Rentabilität von Kleinwindanlagen zu liefern. Dabei wurden sowohl dachmontierte als auch freistehende Anlagen mit einer Nennleistung zwischen 400 Watt und 6 Kilowatt untersucht, um eine breite Palette möglicher Einsatzszenarien abzudecken.

Insgesamt wurden 57 Kleinwindanlagen über ein Jahr hinweg kontinuierlich technisch überwacht, wobei die Windgeschwindigkeit, die Stromerzeugung und spezifische Betriebsdaten der Anlagen aufgezeichnet wurden. Zusätzliche Daten von 68 weiteren Anlagen wurden durch monatliche Rückmeldungen der Hausbesitzer ergänzt. Außerdem flossen Ergebnisse aus dem Warwick Wind Trial (siehe unten) in die Analyse ein.

Warwick-Studie

Das Warwick Wind Trials Project wurde 2007 vom britischen Beratungsunternehmen Encraft gestartet, um die Leistung von gebäudemontierten Kleinwindanlagen (KWA) in verschiedenen Umgebungen zu erforschen. Die Studie zielte darauf ab, potenziellen Käufern praxisnahe Informationen über die tatsächliche Leistungsfähigkeit dieser Anlagen zu liefern und damit eine wertvolle Orientierungshilfe für die Entscheidung zum Kauf einer Kleinwindanlage bereitzustellen.

Insgesamt umfasste die Untersuchung 26 gebäudemontierte Windanlagen von fünf unterschiedlichen Herstellern, alle mit einer Nennleistung von weniger als 2 Kilowatt (Mikrowindanlagen). Die Anlagen wurden an verschiedenen Gebäudetypen installiert, um eine Vielzahl möglicher Einsatzbedingungen abzudecken. Diese reichten von theoretisch ungünstigen Standorten, wie eingeschossigen Gebäuden in städtischen Gebieten mit vielen Windhindernissen, bis hin zu theoretisch optimalen Standorten, etwa freistehenden Hochhäusern mit freier Anströmung.

Über ein Jahr hinweg wurden die Windgeschwindigkeit und die Stromerzeugung der Windanlagen mit Messtechnik erfasst. Die Messdaten lieferten wertvolle Erkenntnisse darüber, wie unterschiedlich sich der Standort auf die Effizienz der Anlagen auswirkt und wie stark die Leistung je nach Installationsumgebung schwanken kann. Die Warwick-Studie bietet somit eine fundierte Analyse der Herausforderungen und Grenzen gebäudemontierter Kleinwindanlagen.

Energy-Saving-Trust-Studie

Ergebnisse im Überblick

Die Ergebnisse der Energy-Saving-Trust-Studie verdeutlichen, wie entscheidend der Standort für die Stromerträge von Kleinwindkraftanlagen ist. Die Untersuchungen zeigten, dass nur Anlagen, die an Standorten mit konstanter, ungehinderter Windanströmung installiert wurden, die erwarteten Leistungswerte erreichen konnten.

An ländlichen, freistehenden Standorten mit hohen durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten erzielten die Kleinwindanlagen hohe Stromerträge als Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb.

Dagegen lieferten Kleinwindanlagen in urbanen und dicht bebauten Gebieten häufig nur geringe Energiemengen. Hier wirkten sich die Windturbulenzen durch Gebäude und andere Hindernisse stark negativ auf die Leistung aus. Die begrenzte Höhe von Dachinstallationen und die schwierigen Windverhältnisse führten zu erheblichen Leistungseinbußen, die oft weit hinter den Erwartungen zurückblieben.

Zusätzlich ergab die Studie, dass die damals üblichen Windprognosen, die von Online-Diensten und einer Wind-Datenbank erstellt wurden, die tatsächlichen Windverhältnisse vieler Standorte überschätzten. Diese Abweichungen führten bei Verbrauchern zu unrealistischen Erwartungen an die Leistungsfähigkeit ihrer Kleinwindanlagen.

Einzelne Testergebnisse

Gebäudemontierte Windturbinen (Dachmontage)

Bei den gebäudemontierten Anlagen, die in städtischen und vorstädtischen Gebieten installiert wurden, waren die Ergebnisse ernüchternd. Keine der getesteten Turbinen an solchen Standorten erzeugte mehr als 200 kWh im Jahr, was auf die generell schwachen und turbulenten Windverhältnisse in diesen Gebieten zurückzuführen ist.

Dementsprechend wurden an allen Standorten mit gebäudemontierten Anlagen jährliche Durchschnittsgeschwindigkeiten von unter 4 m/s gemessen – deutlich zu wenig, um eine wirtschaftliche Energieproduktion zu ermöglichen. In manchen Fällen führte dies sogar dazu, dass die Anlagen zu Nettostromverbrauchern wurden: Der Wechselrichter benötigt selbst dann Energie, wenn die Turbine keinen Strom produzierte.

Die höchsten Erträge bei gebäudemontierten Mini-Windanlagen erreichte eine Anlage in ländlicher bzw. exponierter Lage in Schottland. Die Windturbine mit einer Leistung von 1,5 kW produzierte pro Jahr 975 kWh Strom. In Schottland gibt es allerdings viele Starkwindstandorte, die in Deutschland nicht in dieser Häufigkeit zu finden sind. 

Freistehende Windanlagen

Freistehende Kleinwindanlagen am Boden, die in offenen, windreichen Gebieten aufgestellt wurden, zeigten im Vergleich dazu eine deutlich bessere Performanz. An diesen Standorten konnten die Anlagen in Relation zu ihrer Nennleistung gute bis sehr gute Stromerträge liefern. Die Experten machen an einem Beispiel deutlich, dass eine Kleinwindanlage mit 6 kW Leistung an einem sehr guten Standort bis zu 18.000 kWh pro Jahr erzeugen kann. Für Deutschland sollten solche Angaben jedoch mit Vorsicht genossen werden, da in Großbritannien im Schnitt bessere Windbedingungen herrschen. Aber auch 12.000 kWh pro Jahr wären für eine 6 kW Windanlage noch ein sehr guter Wert. 

Hohe Stromerträge wurden an Standorten erreicht, die eine durchschnittliche Windgeschwindigkeit von über 5 m/s aufwiesen – ein Wert, der in der Studie als minimale Voraussetzung für eine lohnende Installation empfohlen wird. Sieben der überwachten Standorte erfüllten oder übertrafen diesen Wert und zeigten somit die Eignung für eine wirtschaftlich rentable Windkraftnutzung.

Allerdings wiesen Windturbinen auf bodenständigen Masten, die in dicht bebauten Gebieten aufgestellt wurden, ebenfalls schwache Ergebnisse auf. Hier wirkten sich erneut die unzureichenden Windressourcen und Hindernisse negativ auf die Leistung aus.

Energy Saving Trust: Kleinwindanlagen-Modelle im Test

Warwick-Studie

Ergebnisse im Überblick

Die Warwick-Studie bestätigte weitgehend die Erkenntnisse der Energy-Saving-Trust-Studie und zeigte erneut, dass die Stromerträge kleiner Windräder in städtischen und dicht bebauten Gebieten häufig hinter den Erwartungen zurückbleiben. An vielen Standorten konnten die Turbinen die von den Herstellern angegebenen Energieerträge nicht annähernd erreichen. In Werbung und Datenblättern wurden ideale Bedingungen angenommen, die in bebauten Gebieten selten erreichbar sind. Die schwachen Windbedingungen und die zahlreichen Hindernisse in urbanen Umgebungen führten oft zu einer geringen Stromproduktion.

Angesichts dieser Herausforderungen plädierten die Forscher für die Einführung von Industriestandards. Solche Standards könnten eine einheitliche Grundlage schaffen, die die Vergleichbarkeit der Leistungsangaben zwischen verschiedenen Kleinwindanlagen sicherstellt und Verbrauchern eine realistische Einschätzung der zu erwartenden Energieproduktion ermöglicht.

In Großbritannien wurde daraufhin der Microgeneration Certification Scheme (MCS) ins Leben gerufen, um einen einheitlichen Qualitätsstandard für Kleinwindanlagen und andere Mikroenergieanlagen zu schaffen. Der MCS legt spezifische technische Anforderungen fest, die Prüfung und Zertifizierung von Kleinwindkraftanlagen umfassen (Leistung, Sicherheit etc.). In Deutschland gibt es keinen Standard für Kleinwindanlagen, der einen Vergleich verschiedener Modelle ermöglichen würde.  

Einzelne Testergebnisse

Die detaillierten Ergebnisse der Warwick-Studie zeichnen ein eher ernüchterndes Bild von gebäudemontierten Kleinwindkraftanlagen in städtischen und vorstädtischen Umgebungen. Die durchschnittliche Energieproduktion pro Turbine lag bei nur 78 kWh pro Jahr, ein Wert, der die Zeiten einschließt, in denen die Anlagen wegen Wartung oder technischer Ausfälle abgeschaltet waren. Diese geringen Erträge verdeutlichen die Schwierigkeiten, die Kleinwindkraftanlagen in solchen Umgebungen aufgrund der turbulenten und oft schwachen Windverhältnisse haben.

Die am besten performende Turbine im Test lieferte auf das Jahr hochgerechnet 869 kWh – ein Ergebnis, das an einem exponierten Standort auf einem Hochhaus erzielt wurde, wo die Windbedingungen deutlich besser waren. Der hohe Wert wurde jedoch nur rechnerisch erreicht, da die Anlage in der Praxis zwischendurch abgeschaltet wurde. Hier zeigten sich die praktischen Herausforderungen: Mehrere leistungsstarke Anlagen mussten aufgrund von Lärmbeschwerden der Anwohner zeitweise außer Betrieb werden.

Am anderen Ende des Spektrums lag die Turbine mit der schlechtesten Leistung, die im Durchschnitt nur 15 kWh pro Jahr erzeugte – eine Menge, die kaum ausreicht, um den Energiebedarf der eigenen Elektronik zu decken. Dieser Standort war von zahlreichen Hindernissen umgeben, die die Windströmung erheblich störten, sodass eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung dieser Turbine ausgeschlossen war.

Im folgenden werden einzelne Windturbinen mit Testergebnissen dargestellt. Primär sollte man auf den Stromertrag in Kilowattstunden schauen, der in der Praxis erreicht wurde.


Testergebnis „Daventry Country Park“: Niedriges Dach im bebauten Gebiet

Die Mikrowindanlage wurde direkt an der Hauswand montiert, befindet sich somit über dem Dach eines niedrigen Wohnhauses. In einem Zeitraum von rund 10 Monaten wurden nur etwa 56 kWh Strom produziert.

Im Gegensatz zu diversen anderen Kleinwindanlagen im Feldtest hatte die Anlage keine oder kaum Auszeiten. Anhand der grünen Kurve wird aber klar, dass die mittlere Windgeschwindigkeit unterhalb von 3 m/s lag und damit viel zu niedrig war. Der Grund waren voraussichtlich Windbarrieren in der Nähe, wie Bäume oder andere Gebäude.

Den Standort-Typ „Dachinstallation im bebauten Gebiet“ habe ich in einer einfachen Abbildung dargestellt. Der starke Wind aus Hauptwindrichtung wird vom ersten Haus der Siedlung geblockt und verwirbelt. Über den Dächern herrschen deshalb schlechte Windbedingungen.


Testergebnis „Southorn Court 1“: Dach auf Hochhaus

Diese Mikrowindanlage auf einem Hochhaus-Dach hat ebenfalls im Praxistest enttäuscht. Aufgrund der Höhe des Daches wurde von einem hohem Windpotenzial ausgegangen, die Prognose hat über 1.000 kWh im Testzeitraum von einem Jahr ergeben. Erreicht wurden nur ca. 75 kWh.

Wie die folgende Grafik mit den monatlichen Daten zeigt, betrug die mittlere Windgeschwindigkeit bis zu 6 m/s (grüne Linie), ein hoher Wert. Aber aufgrund einer hohen Schallbelastung der Windanlage musste diese die meiste Zeit abgeschaltet werden.

Trotzdem sollte man hier einen positiven Ausblick wagen: voraussichtlich wären auf Basis des hohen Windpotenzials viel höhere Stromerträge erreicht worden, wenn eine funktionierende Körperschallentkopplung implementiert würde, als Voraussetzung für einen dauerhaften Betrieb der Windturbine. Zudem muss die Vermutung aufgestellt werden, dass der Mast der Windanlage zu niedrig war und der Rotor deshalb innerhalb der Windturbulenzen des Gebäudes lag. Mit einem höheren Mast wäre man vermutlich in den turbulenzfreien Wind gekommen und es wäre deutlich mehr Strom erzeugt worden.

Der Standort-Typ „Dach auf Hochhaus“ unterscheidet sich vor allem darin, dass die Windanlage auf einem hohen Haus im Prinzip viel stärkerem Wind ausgesetzt ist. Aber wie erläutert, scheitern solche Projekte oft in der Praxis wegen Körperschallübertragungen und/oder zu niedrigen Masten der Windanlagen. Denn der Rotor muss oberhalb der Windturbulenzen liegen, die in der Nähe des Daches vorkommen.


Testergebnis „Misty View Farm“: Bodenständiger Mast in freier Lage

Diese auf einem freistehenden Mast installierte Mikrowindanlage hat in einem Zeitraum von 11 Monaten rund 440 kWh Strom erzeugt. Deutlich weniger als vorhergesagt, aber trotzdem ein ordentlicher Wert. Dem Foto nach war der Mast deutlich niedriger als 10 m. Auf einem höheren Masten wäre entsprechend die Stromproduktion höher gewesen.

Nach den Angaben im Testbericht war die Windanlage vom 11.03. bis 06.07. nicht in Betrieb (siehe dazu unten die blauen Balken). Ein weiterer Grund für die im Vergleich zur Prognose niedrigen Stromerträge. Der freie Standort mit ungehinderter Anströmung des Windes zeigt ein hervorragendes Windpotenzial zwischen 4,5 und 7 m/s.

Der Standort-Typ „bodenständiger Mast in freier Lage“ bietet nun mal die besten Bedingungen. Der starke Wind aus Hauptwindrichtung kann den Rotor frei erreichen. In diesem Fall befindet sich die Windanlage am Rande einer Siedlung. Es kann natürlich auch ein Haus in komplett freier Lage sein. Wichtig ist, dass aus Hauptwindrichtung der Wind frei wehen kann.


Testergebnis „Leicester“: Bodenständiger Mast im Wohngebiet

Wie auf dem Foto zu erkennen ist, wurde die Mikrowindanlage auf einem niedrigen Mast im Hinterhof eines Eigenheims nahe an der Hauswand montiert. In rund einem Jahr wurden nur etwa 64 kWh Strom produziert. Die Anlage lief während des Testzeitraums durch.

Die mittlere Windgeschwindigkeit (grüne Linie) war viel zu gering, es wurden Werte zwischen 2 und 3,3 m/s erreicht.

Beim Standort-Typ „Bodenständiger Mast im Wohngebiet“ hat man das gleiche Problem wie die Dachmontage im Wohngebiet. Der Rotor ist im schwachen Wind. Eine  Lösung könnte sein, einen deutlich höheren Mast von 15 bis 20 Metern zu nehmen. Das würde die Kosten allerdings deutlich erhöhen. Auch das Bauamt könnte was dagegen haben.

Wichtige Erkenntnisse für die Praxis

Die Nutzung von Kleinwindkraftanlagen in bebauten Gebieten und auf Gebäuden sollte mit Vorsicht betrachtet werden. Die beiden britischen Studien zeigen deutlich, dass die Stromerträge von Kleinwindanlagen an solchen Standorten oft weit hinter den Erwartungen zurückbleiben.

Der Erfolg einer kleinen Windkraftanlage hängt in erster Linie vom Standort und der Art der Installation ab. Nur auf einem Mast freistehende Anlagen in exponierter Lage mit ausreichend Windpotenzial bietet die nötige Voraussetzung für eine wirtschaftliche Nutzung.

Für eine wirtschaftliche Energieerzeugung ist eine durchschnittliche jährliche Windgeschwindigkeit von mindestens 5 m/s erforderlich. Diese Bedingung wird in dicht bebauten Gebieten und bei niedrigen Dachinstallationen jedoch nicht erreicht. Gebäude, Bäume und andere Hindernisse in Wohngebieten, Städten und Siedlungen erzeugen Turbulenzen und verringern die Windgeschwindigkeit, was die Leistung der Anlagen erheblich beeinträchtigt.

Die Warwick-Studie deckte zusätzlich auf, dass die Ermittlung des Windpotenzials eines Standorts durch Winddaten-Dienste oft ungenau sind, da sie lokale Hindernisse nicht berücksichtigen. Das gilt auch heute für den beliebten Global Wind Atlas, dessen Ergebnisse für 10 m Höhe nicht für Lagen in bebauten Gebieten genommen werden können.

Auch die von den Herstellern bereitgestellten Leistungskurven sind in der Praxis oft zu optimistisch. Zudem fehlt die Vergleichbarkeit, weil der Nennleistung unterschiedliche Nennwindgeschwindigkeiten zugeordnet werden. Eine auf dem Papier leistungsstarke Windanlage kann sich dann als Fehlkauf erweisen.

Zusammengefasst verdeutlichen die Studien, dass für eine erfolgreiche Nutzung von Kleinwindanlagen fundierte Standortanalysen und eine realistische Einschätzung der lokalen Windverhältnisse unerlässlich sind.

Besondere Vorsicht ist geboten bei Installationen in Wohngebieten und auf Dächern, wo die Windbedingungen durch Turbulenzen und Hindernisse wie Gebäude oder Bäume stark eingeschränkt sind. Die ungünstigste Kombination stellt ein Mikrowindrad auf dem Dach inmitten eines Wohngebiets dar, da hier die Energieerträge oft so niedrig ausfallen, dass die Anlage kaum zur Deckung des Eigenbedarfs beiträgt.

Meine Erfahrungen in Deutschland

Seit über 10 Jahren beobachte ich den deutschen Markt für Kleinwindanlagen und werde häufig von Menschen kontaktiert. Dazu zählen immer wieder negative Erfahrungsberichte. Meistens sind dies private Hausbesitzer innerhalb bebauter Gebiete. Ausgangspunkt für die Kaufentscheidung sind immer wieder irreführende Werbebotschaften des Anbieters.

Die Ergebnisse der britischen Studien kann ich somit aus meiner Erfahrung bestätigen: Kleinwindanlagen sind in bebauten Gebieten meist nicht wirtschaftlich betreibbar. Vor allem, wenn sie in einer geringen Höhe bis maximal 10 m aufgestellt werden. Auch bei Dachinstallationen bekomme ich kaum positive Rückmeldungen. 

Die Erfahrung zeigt, dass vor allem freistehende Kleinwindkraftanlagen in windreichen, offenen Gebieten eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung ermöglichen. Vor allem, wenn Sie nur eine geringe geringer Gesamthöhe von 10 m haben.

Das können auch Randlagen von Wohngebieten mit freiem Blick zur Hauptwindrichtung sein, aber eben nicht mitten im Wohngebiet, wo der starke Wind übers Jahr seine Kraft nicht entfalten kann. 

Ich rate daher zur Vorsicht bei der Planung und der Auswahl eines Anbieters und empfehle dringend, eine Standortanalyse durchzuführen, um Fehlinvestitionen zu vermeiden.

Video auf YouTube

Analog zu diesem Fachbeitrag habe ich ein Video auf YouTube veröffentlicht:

Weiterführende Informationen

Studien zum Runterladen

Energy-Saving-Trust-Studie: Location, location, location. Domestic small-scale wind field trial report:
>> hier runterladen

Warwick-Studie: Warwick Wind Trials Project (Encraft):
>> hier runterladen

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Über den Autor

Patrick Jüttemann

Patrick Jüttemann ist neutraler Experte für Kleinwindkraftanlagen und Autor diverser Fachpublikationen. Er ist Gründer und Inhaber des 2011 gestarteten Kleinwindkraft-Portals und des dazugehörigen YouTube-Kanals "Kleinwindkraft".
Er ist international anerkannter Experte zu gewerblichen und privaten Kleinwindanlagen für die lokale Energieversorgung. Dazu gehört die Integration von Photovoltaik und Stromspeichern.
Seine Arbeit als Autor ist durch aktuelle Marktanalysen, wissenschaftlich fundierte Berichte und Verbraucherschutz gekennzeichnet. Als Experte wird er in diversen renommierten Zeitschriften wie beispielsweise der ZEIT, F.A.Z. und c’t (Heise Gruppe) zitiert.