Man kann immer wieder hören, dass vertikale Kleinwindanlagen wichtige Vorteile hätten und sie sich besser für die dezentrale Stromversorgung eignen. Kann man das mit Fakten belegen?
Professionelle Tests von Kleinwindanlagen liefern wichtige Daten, mit denen man verschiedene Bauformen beurteilen kann. In den USA wurden zwei Kleinwindanlagen fast identischer Rotorgröße zertifiziert (IEC 61400-2), so dass man vertikale und horizontale Windturbinen gut vergleichen kann.
Im folgenden Video (9:40 min) werden die Testergebnisse vorgestellt:
Kleinwindanlagen: viele Bauformen auf dem Markt
Bei den großen Megawattanlagen in Windparks hat sich eine Bauform etabliert, horizontale Windkraftanlagen mit drei Rotorblättern. Das ist das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung und Entwicklung und viel Praxiserfahrung mit diesen industriellen Großanlagen.
Bei Kleinwindanlagen für die gewerbliche oder private Selbstversorgung mit Strom, gibt es dagegen eine große Vielfalt unterschiedlicher Bauformen. Das betrifft nicht nur die Lage der Rotorachse, das heißt die Bauformen horizontale und vertikale Kleinwindanlagen. Beispielsweise gibt es auch Unterschiede bei der Anzahl der Rotorblätter. Es gibt Kleinwindanlagen mit zwei, drei, vier oder mehr Rotorblättern.
Test von Windkraftanlagen
Alle großen Windkraftanlagen im Megawattbereich werden auf speziellen Testfeldern umfangreich getestet und erprobt. Das Ziel ist die Zertifizierung der Anlagen auf Basis technischer Normen. So wird die Qualität der Anlagentechnik durch eine unabhängige Instanz verifiziert. So eine industrielle Großanlage benötigt eine Zertifizierung als Nachweis für Banken, Versicherer und natürlich auch für die Käufer und Betreiber der Windkraftanlagen.
Die meisten Kleinwindkraftanlagen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sind dagegen nicht zertifiziert. Weil es sehr teuer ist. Anders ist es in den USA: Dort wurden in den letzten Jahren diverse Kleinwindanlagen zertifiziert und dafür dann umfangreich getestet.
Einfach ausgedrückt gibt es in den USA eine Art Kleinwindanlagen-TÜV, den Small Wind Certification Council (>> siehe hier). Tests und Zertifizierung sind für die Hersteller freiwillig. Aber es lohnt sich, weil nur qualitativ hochwertige Kleinwindanlagen mit Zertifizierung von den hohen Steuergutschriften in den USA profitieren. Alle nationalen Kleinwindkraft- Standards wie in den USA oder Japan orientieren sich an der internationalen Norm IEC 61400-2.
Foto: NREL, USA
Im Rahmen der Zertifizierung erfolgt ein umfangreicher Test der Kleinwindkraftanlagen. Das umfasst die Leistung (Ermittlung Leistungskruve), Schall, Dauerbelastung, Sturmsicherheit etc.
Vertikale Kleinwindanlage mit Zertifizierung in USA
Die Kleinwindanlagen die, weltweit betrachtet zertifiziert sind oder waren, umfassen fast ausschließlich horizontale Windkraftanlagen, das heißt der herkömmlichen Bauform folgend.
Eine der wenigen Ausnahmen ist die vertikale Kleinwindanlage DS-3000 des Herstellers Hi- VAWT aus Taiwan, die zurzeit in den USA zertifiziert ist. Das zeigt uns: auch vertikale Kleinwindkraftanlagen können die umfangreichen Prüfungen und Tests im Rahmen der Zertifizierung bestehen. Die technische Qualität dieses Vertikalläufers wurde unter Beweis gestellt. Mehr kann man als unabhängige Referenz zu einer Kleinwindanlage nicht erwarten.
Beim Rotordesign der DS-3000 fällt auf, dass es zwei Rotoren gibt. Der innere Savonius ist für das Anlaufen der Anlage zuständig, gibt also den ersten Schub. Der äußere Darrieus-Rotor ist für die Energiewandlung zuständig.
Vergleich: Horizontale vs. Vertikale Windturbine
Ein für uns glücklicher Umstand ist, dass in den USA eine horizontale Kleinwindanlage fast identischer Größe zertifiziert war. Es handelt sich um das Modell Skystream. Die Skystream ist zwar heute nicht mehr auf dem Markt, wurde aber nach Angabe des Herstellers weltweit über 8.000-mal verkauft. Für uns entscheidend ist: die Anlage war jahrelang in den USA zertifiziert, hat ihre Qualität unter Beweis gestellt.
Ein Vergleich der DS-3000 und der Skystream bietet sich deshalb an, weil die Rotorfläche fast identisch ist. Die Rotorfläche entspricht der vom drehenden Rotor abgedeckten Fläche. Entscheidend für die Ertragsstärke einer Windkraftanlage ist die Rotorgröße, nicht die Generatorleistung. Die Preise der beiden Kleinwindanlagen waren ungefähr auf gleichem Niveau, die vertikale Windanlage vielleicht sogar ein bisschen teurer.
Testergebnisse
Schauen wir uns jetzt die Testergebnisse an. Wer schneidet besser ab? Das horizontale oder das vertikale Kleinwindrad?
Die Nennleistung der Horizontalwindanlage Skystream beträgt bei einer Windgeschwindigkeit von 11 m/s 2,1 Kilowatt und ist damit 50% höher als bei der vertikalen DS-3000.
Wie zu erwarten, schneidet die horizontale Windkraftanlage auch beim jährlichen Stromertrag besser. Die Skystream produziert pro Jahr 3.400 kWh, das gilt für eine mittlere Windgeschwindigkeit von 5 m/s. Im Vergleich mit der vertikalen Windanlage sind das 39% Mehrertrag.
Sogar beim Schallpegel liefert die Skystream bessere Werte, ist ein wenig leiser als die Anlage mit vertikaler Rotorachse.
Der entscheidende Wert sind die jährlichen Stromerträge. Denn der Zweck einer Windanlage ist nun mal die Stromproduktion. Ein Mehrertrag der horizontalen Windanlage von fast 40% ist ein deutlicher Vorteil.
Beim Kauf auf unabhängige Referenzen achten
Man könnte jetzt einwenden: hier handelt es sich nur um zwei Kleinwind-Modelle. Vielleicht gibt es auf dem Markt vertikale Windanlagen, die besser sind. Es wird wohl Anbieter geben, die das sagen.
Beim Kauf einer kleinen Windanlage sollte man sich nicht nur an den Angaben und Werbebotschaften der Hersteller oder deren Vertriebspartner orientieren. Wichtig sind unabhängige Referenzen zu einem Kleinwindrad.
Hilfreiche Infos zum Vergleich und Kauf von Kleinwindkraftanlagen:
- Fachportal: Leitfaden zum Kauf einer Kleinwindanlage >> siehe hier
- Video: 6 Tipps zum Kauf einer Kleinwindanlage >> siehe hier
Autor: Patrick Jüttemann