Vertikale Windkraftanlagen

Vertikale Windkraftanlage

Vertikale Windkraftanlagen sind durch eine Rotorachse in vertikaler Lage (Standachse) gekennzeichnet. Die ersten von Menschen gebauten Windanlagen hatten eine vertikale Achse: Die sogenannte persische Windmühle reicht zurück bis ins 7. Jahrhundert. Unter den vertikalen Windrädern gibt es unterschiedliche Bauformen wie den Darrieus-Rotor und den Savonius-Rotor sowie Mischformen.

Im Laufe der Zeit haben sich Windanlagen mit horizontaler Rotorachse durchgesetzt. Aber das Interesse an vertikalen Windanlagen ist heute noch groß, das besondere und oft schöne Design der Rotoren weckt die Neugier vieler Menschen. Neue Hersteller kommen auf den Markt.

Doch inwieweit können Vertikalläufer die Ansprüche moderner Energietechnik erfüllen? Können Gebäude damit effizient mit Strom versorgt werden? Hier werden die wichtigsten Fakten zu vertikalen Kleinwindkraftanlagen erläutert.

Funktionsweise und Bauformen vertikaler Windkraftanlagen

Bei vertikalen Kleinwindanlagen gibt es diverse grundlegende Bauformen, die im Folgenden vorgestellt werden. In der Praxis trifft man Varianten und Mischformen an, der Einfallreichtum der Entwickler kennt bei Vertikalwindanlagen keine Grenzen.

Savonius-Rotoren

savonius-rotor

Savonius-Rotoren sind sogenannte Widerstandläufer, da die Rotorfläche als Ganzes dem Wind einen Widerstand bietet und quasi vom Wind weggedrückt wird. Savonius-Rotoren bewegen sich langsam, der Rotor kann sich maximal so schnell die vorherrschende Windgeschwindigkeit bewegen. Von allen Kleinwindrad-Typen haben Savonius-Rotoren die niedrigsten Wirkungsgrade und entsprechend erheblich niedrigere Stromerträge als andere Konstruktionstypen.

Darrieus-Rotoren

Vertikale Windkraftanlage

Bei Darrieus-Rotoren handelt es sich um Auftriebsläufer. Die Rotorblätter stehen mit ihrer Angriffsfläche nicht komplett senkrecht zum Wind, wie es bei Widerstandsläufern der Fall. Der Wind streicht über das Rotorblatt. Der auf das Rotorblatt strömende Wind erzeugt einen Auftrieb wie es bei Tragflügeln der Fall ist. Es handelt sich um Schnellläufer: Die Umdrehungsgeschwindigkeit des Rotors kann erheblich schneller als die Windgeschwindigkeit sein. Für eine hohe Effizienz einer Windkraftanlage (Leistungsbeiwert) hat das eine entscheidende Bedeutung. Moderne Windkraftanlagen sind allesamt Auftriebsläufer, dazu zählen auch Windanlagen mit horizontaler Rotorachse.

H-Rotor

H-Rotor Vertikale Windanlage

Ein gängiger Konstruktionstyp des Darrieus-Rotors ist der H-Rotor. Die Tragflügel der Anlage sind nicht gebogen wie beim klassischen Modell, sondern gerade. Der H-Rotor hat eine größere dem Wind entgegengesetzte Fläche und somit theoretisch eine höhere Leistung als mit gebogenen Blättern.

Die folgende Animation zeigt die verschiedenen Rotortypen in Bewegung:

Von links nach rechts: 1. Vertikaler Savonius-Rotor, 2. horizontale Windkraftanlage, 3. Vertikaler Darrieus-H-Rotor. (Quelle: By Ssgxnh (Own work), via Wikimedia Commons)

Effizienz und Wirkungsgrad

Der theoretische Wirkungsgrad von Windkraftanlagen wird mit dem sogenannten Leistungsbeiwert (auch Betzscher Wirkungsgrad oder spezifische Leistungsausbeute) angegeben. Der Leistungsbeiwert liegt maximal bei 59 %. Dieser Wert beschreibt die Fähigkeit der Rotoren, die Bewegungsenergie des Windes umzuwandeln. Der Gesamtwirkungsgrad ist aufgrund der Verluste von Getriebe und Generator niedriger.

Vertikale Windkraftanlagen haben einen geringeren Leistungsbeiwert als Anlagen mit horizontaler Achse. Während nach dem aktuellen Stand der Technik Horizontalläufer einen Leistungsbeiwert von rund 50 % erreichen können, liegt die Leistungsausbeute von Vertikalläufern bei maximal 40 %. Damit wird der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Bauformen deutlich: Windkraftanlagen mit horizontaler Achse erzeugen in der Regel mehr Strom als vertikale Anlagen.

Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit ist nicht der Wirkungsgrad, sondern die Stromgestehungskosten d.h. die Kosten für eine Kilowattstunde Strom. Doch auch hier spricht alles für Horizontalläufer: Bezüglich der Effizienz und Marktreife haben horizontale Kleinwindanlagen derzeit klar die Nase vorn. Diese Bauweise hat sich nicht ohne Grund bei den Multimegawatt-Turbinen durchgesetzt.

Preise und Kosten vertikaler Windkraftanlagen

Vertikale Windkraftanlagen - Preise & Kosten

Die Kaufpreise vertikaler Windkraftanlagen sind in der Regel nicht niedriger als bei horizontalen Windanlagen. Für den gesamten Kleinwindkraft-Markt gilt, dass es je nach Hersteller und Windturbinenmodell erhebliche Unterschiede bei Preisen und spezifischen Kosten pro Kilowatt Leistung gibt. Die Preisspanne bewegt sich zwischen 3.000 und 10.000 Euro pro Kilowatt installierter Leistung.

Aufgrund aerodynamischer Nachteile ist die Anlagenregulierung und Sturmsicherung bei vertikalen Windturbinen aufwendiger. Beispielsweise können horizontale Windanlagen als technisch elegante Sturmsicherung aus dem Wind gedreht werden, bei Vertikalwindanlagen ist das nicht möglich. Eine vertikale Windanlage benötigt deshalb besondere technische Lösungen für die Anlagenregulierung, was sich in den Konstruktionskosten niederschlägt.

Rechenbeispiel Wirtschaftlichkeit

Angenommen zwei 6 kW Kleinwindanlagen mit vertikaler und horizontaler Rotorachse kosten beide pro kW Leistung 5.000 Euro. Der Gesamtpreis beträgt für jede Anlagen somit 30.000 Euro. Betrachtet man vom TÜV geprüfte Jahreserträge zweier am Markt angebotenen Windgeneratoren bei einer mittleren Jahreswindgeschwindigkeit von 5 m/s (guter Standort im Binnenland) so ergeben sich folgende Werte:

  • Vertikale Kleinwindkraftanlage mit 6 kW: ca. 3.900 kWh pro Jahr.
  • Horizontale Kleinwindkraftanlage mit 6 kW: ca. 9.500 kWh pro Jahr.

Das horizontale Windrad ist erheblich wirtschaftlicher. Bei einer Betriebszeit von 20 Jahren gibt es entsprechende Unterschiede bei den Kosten des produzierten Windstroms…

  • Vertikales Windrad: 38 Cent pro kWh.
  • Horizontales Windrad: 16 Cent pro kWh.

Dieses Beispiel umfasst zwar realistische Werte, kann aber nicht pauschal auf alle am Markt angebotenen kleinen Windkraftanlagen übertragen werden. Entscheidend für die realisierten Stromerträge ist die Windstärke des Standorts.

Tipp: Hol dir jetzt das gratis E-Book. Bekommt man nach der Anmeldung zum Newsletter.

Vorteile vertikaler Windkraftanlagen

  • Besser geeignet für Standorte mit turbulenten Windverhältnissen (Städte).
  • Einfache Wartung, da wartungsintensive Komponenten wie Generator in Bodennähe.
  • Oft geringere Schallemissionen. Der Einzelfall entscheidet. Es gibt auch leise horizontale Windanlagen.
  • Sehr hohe Beliebtheit und Akzeptanz, was im Rahmen der Genehmigung von Vorteil sein kann.

Vorteile bei der Genehmigung

Nicht nur bei manchen potentiellen Betreibern von Kleinwindanlagen, sondern auch in einigen Baubehörden und anderen Fachbehörden wird die Meinung vertreten, dass vor allem im Stadtgebiet vertikale Windturbinen besser geeignet sind. Damit verbunden sind Vorteile bei der Erlangung der Baugenehmigung, ganz nach dem Motto: Ein vertikale Windanlage darf installiert werden, eine horizontale Windturbine bekommt keine Genehmigung.

Vertikale Kleinwindanlage - New Energy Husum

Als ein häufiger Grund wird der Schall angeführt: Es wird pauschal angenommen, dass Vertikalläufer leiser sind. Doch moderne Horizontalläufer sind nicht unbedingt lauter. 

Ein anderer Grund scheint noch wichtiger zu sein, warum vertikale Windturbinen im Rahmen der Genehmigung teilweise bevorzugt behandelt werden: Die visuelle Beeinträchtigung des Landschaftsbilds bzw. Stadtbilds. Es gibt Menschen, die Großwindkraftanlagen in Windparks als eine Beeinträchtigung des Landschaftsbilds empfinden. Diese subjektiv empfundene visuelle Beeinträchtigung wird deshalb nur mit horizontalen Windrädern verbunden. Anders ausgedrückt: Vertikale Windräder haben bei manchen Menschen eine Art Design-Bonus. Eigentlich müsste das Aussehen eines Windrads im Rahmen der Genehmigung egal sein. Viel wichtiger sind Fakten wie Schall- und Schatten-Immissionen, Höhe der Anlage, Rotordurchmesser, Sicherheitssysteme der Anlage, etwaige Prüfdokumente etc.

Für alle Kleinwindkraftanlagen jeder Bauart (vertikal und horizontal) gilt: im Vergleich mit Großwindkraftanlagen in Windparks mit einer Gesamthöhe von mittlerweile über 200 m haben Kleinwindanlagen keinen Einfluss aufs Landschaftsbild.

Nachteile vertikaler Kleinwindanlagen

  • Geringe Wirkungsgrade und niedrigere Stromerträge.
  • Stromgestehungskosten deutlich höher (geringere Wirtschaftlichkeit)
  • Wenig unabhängige Referenzen (Tests, Zertifzierung)
  • Hohe Schwingungen und Resonanzen.
  • Verwendung höherer Masten nur mit Aufwand (Spannseile, massive Bauweise etc.).

Entscheidender Nachteil vertikaler Windkraftanlagen ist die geringere Wirtschaftlichkeit verbunden mit der Frage: Was kostet die produzierte Kilowattstunde Windstrom. Die Stromgestehungskosten vertikaler Windturbinen sind meistens erheblich höher als von Horizonalläufern (siehe Beispiel oben). 

Ein Problem stellen auch die hohen Schwingungen dar, die wiederum zu Resonanzen des Masts führen. Deshalb können vertikale Windanlagen nur mit besonderem Aufwand auf höhere Masten ab 20 Meter installiert werden. Das ist aber im Binnenland an vielen Standorten aufgrund des mäßigen Windangebots eine Notwendigkeit. 

Hersteller und Anbieter vertikaler Windräder

Vertikale Windkraftanlagen sind im Kleinwind-Markt noch eine Randerscheinung. Nach wie vor bietet die Mehrzahl der Hersteller Kleinwindkraftanlagen mit horizontaler Rotorachse an. Nach einer Studie der World Wind Energy Association (WWEA) von 2012 hatten von den weltweit 327 Kleinwind-Herstellern 74 % horizontale Kleinwindanlagen produziert. Auch wenn die Studie nicht mehr aktuell ist, muss man heute von ähnlichen Marktverhältnissen ausgehen. 

Wer den Markt kontinuierlich beobachtet, stellt fest: Viele Hersteller von Vertikalläufern halten sich nicht lange im Markt. Schaut man sich weltweit den Bestand an zertifizierten kleinen Windkraftanlagen an: Fast alle Modelle haben eine horizontale Rotorachse. Im Rahmen der Zertifizierung werden aufwendige Tests durchgeführt und die Leistungskurve vermessen. 

Im Rahmen der akribischen Marktanalysen für den Kleinwind-Marktreport zeigt sich regelmäßig, dass vertikale Windanlagen im Markt eine Randerscheinung spielen. Aufgrund der Tatsache, dass es zu Vertikalachsern kaum unabhängige Referenzen wie Testfeldergebnisse, vermessene Leistungskurven oder Zertifizierungen gibt. 

Doch Forschung und Markt zu vertikalen Windanlagen sollte man auf jeden Fall im Auge behalten. Weltweit beschäftigen sich zahlreiche Startups und Hochschulen mit neuen Konzepten. Das Interesse an Vertikalwindanlagen ist ungebrochen groß: Mit einer erfolgreichen Technologie wird man viel  Geld verdienen können.

Vertikale Windkraftanlagen für Einfamilienhäuser?

So mancher Anbieter eines Vertikal-Windrads wirbt mit vollmundigen Versprechen, was die Stromversorgung von Privathäusern angeht. Die Frage ist, wie viel Strom ein kleiner Vertikalläufer pro Jahr erzeugen kann und ob die Kosten des produzierten Stroms einigermaßen im Rahmen liegen.

Verbraucher müssen aufpassen: Einfamilienhäuser in Wohngebieten haben oft nur ein schwaches Windangebot. Das gilt vor allem für zentrale Lagen, da ringsherum andere Gebäude und Vegetation den Wind blocken. Eine Kleinwindanlage muss dann prinzipiell in Frage gestellt werden. Egal ob das Windrad auf dem Dach oder in den Garten gestellt werden soll. Wenn schon wenig Wind vorhanden ist, dann sollte man auf den effizientesten Windkrafttyp setzen in Form der horizontalen Windanlage.

Manche Interessenten legen sich fest: Es muss eine vertikale Windanlage sein. Wer ernsthaft den Betrieb eines Kleinwindrads in Betracht zieht, sollte sich auch mit Horizontalläufern beschäftigen, prinzipiell offen für alle Rotorformen sein.

Lesen sie hier weiter:

Über den Autor

Patrick Jüttemann

Patrick Jüttemann ist neutraler Experte für Kleinwindkraftanlagen und Autor diverser Fachpublikationen. Er ist Gründer und Inhaber des 2011 gestarteten Kleinwindkraft-Portals und des dazugehörigen YouTube-Kanals "Kleinwindkraft".
Er ist international anerkannter Experte zu gewerblichen und privaten Kleinwindanlagen für die lokale Energieversorgung. Dazu gehört die Integration von Photovoltaik und Stromspeichern.
Seine Arbeit als Autor ist durch aktuelle Marktanalysen, wissenschaftlich fundierte Berichte und Verbraucherschutz gekennzeichnet. Als Experte wird er in diversen renommierten Zeitschriften wie beispielsweise der ZEIT, F.A.Z. und c’t (Heise Gruppe) zitiert.