Oliver Krischer ist Abgeordneter des Deutschen Bundestags und Sprecher für Energie- und Ressourceneffizienz der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sein Wahlkreis liegt in Düren in NRW. In einem Interview stellt sich der Energie-Experte den Fragen des Kleinwindkraft-Portals.
Herr Krischer, Ihr Wahlkreis liegt in Düren in NRW, unweit der holländischen Grenze. In freier, offener Landschaft dürfte an manchen Stellen der Wind ordentlich blasen. Gibt es in ihrer Heimatregion Kleinwindkraftanlagen?
Eine Anlage im Kreis Düren ist mir nicht bekannt. Früher gab es eine Selbstbau-Anlage eines Bekannten, die Anlage ist jetzt nicht mehr Betrieb. Die Landschaft meines Wahlkreises ist teilweise durch flaches Bördeland gekennzeichnet, die Aufstellung einer Kleinwindanlage könnte durchaus Sinn machen.
Zu meiner Zeit im NRW-Landtag habe ich teilweise mit dem Thema Kleinwindkraft zu tun gehabt. Vorwiegend aufgrund von Bürgeranfragen vor dem Hintergrund der Baugenehmigung einzelner Anlagen. Die damalige Landesregierung stand der Windkraft-Nutzung allgemein skeptisch gegenüber. Wir haben als Opposition versucht konstruktiv mit dem Thema umzugehen. Denn es ist nicht ersichtlich, warum eine Kleinwindanlage nicht gebaut werden darf, selbst wenn die Nachbarn einverstanden sind und keine Störung vom Windkraftgenerator ausgeht.
Wie stehen die GRÜNEN allgemein zum Thema Kleinwindkraft? Welche Rolle soll die Technologie im Rahmen der Energiewende spielen?
Wir haben in der Vergangenheit immer die Position vertreten, dass für Kleinwindanlagen ähnliche Einspeisetarife wie für Photovoltaik-Anlagen gelten müssen. Das wurde nicht im Detail ausformuliert mit exakten Cent-Beträgen. Aber es war klar, dass kleine Windkraftanlagen auf absehbare Zeit nicht mit dem gleichen Tarif wirtschaftlich betrieben werden können, wie er für große Anlagen gilt.
Es ist schade, dass diese Forderung nicht umgesetzt wurde, denn Kleinwindanlagen haben langfristig ein ähnliches Potenzial wie PV-Anlagen. Es ist eine Technologie, die von vielen Menschen zur dezentralen Stromerzeugung genutzt werden kann.
Ich fürchte, dass es zurzeit bei den Grundsatzdebatten zum Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schwerer sein wird als in der Vergangenheit, neue Fördertatbestände ins Spiel zu bringen. Da wurde eine Chance verpasst. Eine angemessene Vergütung von Kleinwindanlagen wird auch weiterhin auf der politischen Agenda der GRÜNEN stehen.
Kleinwindanlagen werden auf lokaler Ebene oft wegen der strengen Anforderungen für eine Baugenehmigung verhindert. Es soll z.B. eine neue DIBt-Richtlinie verabschiedet werden, die die Lage verschlimmern würde. Es wird nicht zwischen großen und kleinen Windkraftanlagen differenziert. Kann da die Politik nicht helfen?
In NRW ist die Lage schon ein Stück weit verbessert worden. Auf dem Erlasswege wurde z.B. geklärt, dass für Anlagen mit einer Gesamthöhe bis 10 m nur in Wohngebieten eine Genehmigung erforderlich ist.
Man muss allerdings beachten, dass die Forderungen im Rahmen der Genehmigung für Rechtssicherheit sorgen. Es nützt dem Betreiber der Anlage nicht, wenn diese genehmigungsfrei gestellt wird und aufgrund der Klagen von Nachbarn entfernt werden muss. So werden falsche Investitionsentscheidungen getroffen.
Eine Gleichstellung von kleinen und großen Windkraftanlagen im Rahmen der Genehmigungsanforderungen darf natürlich nicht sein. Eine Lösung kann in der Zertifizierung liegen. Kleinwindanlagen, die Zertifizierungsnormen und die baurechtlichen Anforderungen vor Ort erfüllen, müssen zugelassen werden. Man muss versuchen, die Bürokratie so gering wie irgendwie möglich zu halten.
Kleinwindanlagen und PV-Anlagen sind saubere und verbrauchsnahe Stromerzeuger. Woran liegt es, dass PV-Anlagen seit über 10 Jahren einen fairen Einspeisetarif bekommen und Kleinwindräder beim EEG unter den Tisch fallen?
PV war von Anfang an im EEG mit drin. Es bestand Planungssicherheit. In den ersten Jahren des EEG bis 2005 gab es allerdings kaum Zubau bei der PV. Technik und Branche haben sich erst langsam entwickelt.
Die Kleinwindbranche hat es über die Jahre hinweg nicht geschafft im politischen Raum und über die Verbände im Bereich Erneuerbare Energien so zu agieren, dass sie politisch berücksichtigt wird. Das hat teilweise nachvollziehbare Ursachen. Die Kleinwindkraft-Branche hat eher kleine Unternehmen, denen die Einflussmöglichkeiten fehlen. Bei vielen meiner Kollegen ist Kleinwindenergie nicht auf dem Schirm. Das ist letztendlich die wesentliche Ursache, warum die Kleinwindkraft im EEG in den vergangenen Jahren nicht berücksichtigt wurde. Die Branche muss mehr Lobbyarbeit leisten. Anhand von Studien müsste man die Vorteile und Potenziale der Technologie stärker kommunizieren.
Sehen Sie Fördermöglichkeiten für die Kleinwindkraft alternativ oder zusätzlich zum EEG?
Das EEG ist das Instrument der Wahl, was die erneuerbare Stromerzeugung angeht.
Feste Einspeisetarife, Einspeisevorrang gekoppelt mit einer langen Laufzeit sind Regelungen, die sich bewährt haben.
Andere Modelle wie z.B. das Marktanreizprogramm (MAP) sind theoretisch auch für Kleinwindkraftanlagen vorstellbar. Der Nachteil der Zuschüsse im Rahmen des MAP liegt in der Haushaltsfinanzierung. Die Fördergelder werden ja nach Haushaltslage gewährt oder nicht. Das EEG bietet eine bessere Planungs- und Investitionssicherheit.
Nur wenn eine Förderung über das EEG nicht möglich sein sollte, müssten Alternativen wie Zuschüsse oder zinsgünstige Kredite diskutiert werden.
In Dänemark wird bei privaten PV-Anlagen und Kleinwindanlagen das Net-Metering angewandt. Bei Stromeinspeisung läuft der Stromzähler rückwärts. Könnte man Net-Metering nicht auch für Kleinwindkraftanlagen in Deutschland zur Geltung bringen?
In Deutschland erfolgt gerade ein Umbau des Energiesystems. Erneuerbare Energien werden zur Leitenergie. Die anderen Energieformen müssen sich an den schwankenden Erneuerbare Energien orientieren. Im Vordergrund steht dabei die Weiterentwicklung des EEG. Auch andere Gesetzesgrundlagen wie das Energiewirtschaftsgesetz müssen angepasst werden.
Das Prinzip Stromzähler-Rücklauf ist als neue Regelung oder Ergänzung des EEG durchaus denkbar. Nur wird es nicht einfach sein, es politisch zu etablieren. Beim Net-Metering würde man in Deutschland zurzeit rund 24 Cent pro kWh pro Kilowattstunde bekommen, wenn man diesen Wert als durchschnittlichen Strompreis ansetzt. Soviel bekommt man kaum noch für eine PV-Dachanlage.
Ihr Wahlkreis liegt in NRW. Landesgesetze spielen oft eine wichtige Rolle für die Umsetzung von Kleinwindkraftanlagen. In den USA haben die einzelnen Bundesstaaten eigene Fördersysteme. Sehen Sie auf Landesebene Möglichkeiten, die Kleinwindkraft voran zu bringen?
Einzelne Fördersysteme in Bundesländern sind weniger ratsam, was das grundlegende Förderregime zur breiten Marktdurchdringung angeht.
Auf Projektebene könnte man in den Ländern durchaus Ansätze verfolgen, die vor allem der Demonstration und Anschauung der Kleinwind-Technologie zu Gute kommen. Beispielsweise ein Programm zur Förderung von Kleinwindanlagen auf öffentlichen Gebäuden oder in Klimaschutzsiedlungen. Denn ein Hauptproblem der Kleinwindkraft in Deutschland ist der geringe Bekanntheitsgrad. Wenn ich in Großbritannien oder Dänemark unterwegs bin, dann fallen mir die Kleinwindanlagen sofort auf.
Mit welcher Unterstützung können Hersteller, Hochschulen und Forschungsreinrichtungen rechnen, die sich mit der Forschung und Entwicklung von Kleinwind-Technologie beschäftigen?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist das Wichtigste für die Kleinwindkraft-Branche, die Technologie allgemein in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern. Das Thema Kleinwindkraft muss in die Köpfe der Leute. Das kann man beispielsweise über die Arbeit der Verbände unter Beteiligung der Medien schaffen. Wenn man das erfolgreich umsetzt, dann kommen auch die Erfolge auf anderen Ebenen wie Technologie- und Forschungsförderung. Hersteller, Forschungsakteure und Betreiber von Kleinwindanlagen müssen sich zusammenschließen und Lobbyarbeit leisten. Mit klaren und einfachen Informationen muss vermittelt werden, was Kleinwindkraft leisten kann und wie sie funktioniert. Forschungsaktivitäten und deren Förderung sind wichtig. Aber diese Einzelprojekte werden nicht über eine Pilotphase hinauskommen, wenn die Kleinwindkraft nicht im Bewusstsein der Menschen angekommen ist.
Oliver Krischer im Netz:
http://oliver-krischer.eu/
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