Steigende Energiekosten und sinkende Einspeisetarife setzen Unternehmen zunehmend unter Druck. Mit einem Onsite-PPA (Power Purchase Agreement) können sie direkt vor Ort erzeugten Windstrom nutzen und gleichzeitig Netzentgelte einsparen.
Energierechts-Experte Dr. Dirk Legler erläutert im Interview, wie Onsite-PPAs insbesondere für Unternehmen im Gewerbe- und Industriesektor wirtschaftliche Vorteile bieten können.
Herr Legler, erklären Sie bitte die Funktionsweise eines Onsite-PPA für Kleinwindkraftanlagen
Ein Onsite-PPA (Power Purchase Agreement) für Kleinwindkraftanlagen kann einfach als ein Stromliefervertrag beschrieben werden, bei dem der erzeugte Strom direkt vor Ort genutzt wird, ohne das öffentliche Stromnetz zu durchlaufen. Dies bedeutet, dass eine Windkraftanlage direkt auf dem Gelände eines Unternehmens installiert wird und der erzeugte Strom von denen auf diesem Gelände vorhandenen Unternehmen verbraucht wird. Im Grunde ist es ähnlich wie Mieterstrom, nur nicht mit Photovoltaik, sondern mit Kleinwindkraftanlagen.
Was sind die wirtschaftlichen Vorteile eines lokalen Stromliefervertrages mit einer Kleinwindkraftanlage?
Die wirtschaftlichen Vorteile können für Unternehmen insbesondere im Gewerbe- und Industriesektor attraktiv sein. Im Vordergrund steht die Einsparung von Netzentgelten und den so genannten netzbasierten Umlagen (Stromnebenkosten). Da der Strom direkt vor Ort produziert und verbraucht wird, entfallen diese Netzkosten, die bei der Nutzung des öffentlichen Stromnetzes anfallen würden. Diese Kosteneinsparungen sind insbesondere angesichts der derzeit überall zu beobachtenden Erhöhungen der Netzentgelte attraktiv.
Im Vergleich zur Einspeisung nach EEG-Tarifen oder der netzbasierten Direktvermarktung des Stroms sind PPAs meist wirtschaftlich attraktiver.
Zudem ist der Windstrom vollständig erneuerbar. Dies kann Unternehmen helfen, die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zu erfüllen und ihre Nachhaltigkeitsziele (nach ESG) zu erreichen.
Durch die Eigenproduktion von Strom können Unternehmen ihre Abhängigkeit von externen Energieversorgern reduzieren und sich gegen zukünftige Preissteigerungen absichern.
Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für Onsite-PPA für Kleinwindkraftanlagen?
Damit der Kleinwindstrom tatsächlich ohne Netzentgelte zum Unternehmen gelangen kann, muss es sich um eine sogenannten „Kundenanlage“ handeln. Das heißt eine Energieanlage, die innerhalb eines räumlich zusammenhängenden Betriebsgebiets liegt und hauptsächlich dazu dient, Energie innerhalb eines Unternehmens oder zu verbundenen Unternehmen zu transportieren. Das öffentliche Stromnetz darf nicht genutzt werden.
Für jede Kleinwindanlage müssen die baurechtlichen Anforderungen des spezifischen Standorts geprüft werden. Im Außenbereich sind Kleinwindenergieanlagen, die der Eigenversorgung dienen, privilegiert zulässig. Im Innenbereich, insbesondere in Industrie- und Gewerbegebieten, müssen sie den jeweiligen baurechtlichen Bestimmungen entsprechen. Wenn man diese Voraussetzungen erfüllen kann, muss lediglich noch ein schlanker Stromliefervertrag zwischen dem Betreiber der Kleinwindkraftanlage und dem Unternehmer (also dessen Stromkunde) ausgestaltet werden.
Ist es auch möglich, dass der Betreiber der Windkraftanlage den Strom vollständig vor Ort weiterleitet und verkauft?
Ja, es ist möglich, dass der Anlagenbetreiber den erzeugten Strom vollständig verkauft. In der Regel wird aber nur ein Teil des Stroms verkauft und geht der Überschuss ins Netz (oder in einen Speicher und wird dann verkauft).
Können solche standortbezogenen PPAs auch Hybridsysteme bestehend aus Kleinwindkraft, Photovoltaik und Stromspeicher umfassen?
Ja, standortbezogene PPAs können durchaus Hybridsysteme umfassen, die aus Kleinwindkraft, Photovoltaik (PV) und Stromspeichern bestehen. Hybridsysteme kombinieren verschiedene Energiequellen, um eine stabilere und zuverlässigere Energieversorgung zu gewährleisten. Dies ist besonders vorteilhaft, da erneuerbare Energien wie Wind und Sonne fluktuierend sind, und die Integration von Speichermöglichkeiten kann helfen, diese Schwankungen auszugleichen.
Über den Experten:
Dr. Dirk Legler – Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Energierecht
Dr. Legler ist seit 2003 Rechtsanwalt mit Fokus auf der dezentralen Energieversorgung (Objektversorgung mit Strom und/oder Wärme aus Erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen).
Er berät und vertritt sowohl Energielieferanten und -dienstleister als auch Immobilieneigentümer. Das gilt im Besonderen für Gewerbebetriebe und Privatleute, die auf ihrem Land eine Kleinwindanlage installieren wollen. Dirk Legler ist juristischer Beirat des Bundesverband Kleinwindanlagen. Kanzlei Rechtsanwälte Günther in Hamburg:
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